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Gitarren relicen – was ist das und wie funktioniert es?

Der Trend, Gitarren zu „altern“ (oder vielleicht treffender: „Relicing“), sorgt unter Gitarrenliebhabern immer wieder für Diskussionen. Die Idee dahinter ist simpel: Eine brandneue Gitarre soll wie ein „altes“, gebrauchtes Instrument aussehen. Allerdings gibt es verschiedene Abstufungen des Alterungsprozesses, und manche gehen bis zum Äußersten. Was steckt hinter dem Hype? Warum sollte man Relicing lieben (oder hassen)? Schauen wir uns das mal genauer an.

Woher kommt die Idee?

Laut diesem großartigen Artikel begann die Geschichte des Gitarren-Relicings mit zwei herausragenden Gitarrenbauern bei Fender: Jay W. Black (Master Builder bei Fender und später bei Linhof Guitars) und Vince Cunetto (Fender Co-operative, dessen Alterungstechniken unter Gitarrensammlern legendär sind). Die beiden begannen Anfang der 1990er-Jahre mit dem Relicing von Gitarren als Nebenprojekt für den Fender Custom Shop. Die Idee, Gitarren im Vintage-Look zu gestalten, wurde schnell zum Erfolg, und die Gitarrenabteilung des Fender Custom Shops widmete sich fortan der Produktion von Relic-Gitarren. Die Ära der Zusammenarbeit zwischen Cunetto und Fender endete 1998, und Gitarren aus dieser Zeit erzielen auf dem Markt Höchstpreise. Doch das war erst der Anfang.

Übrigens ist dieser großartige Artikel von Guitar.com ebenfalls sehr lesenswert!

Es geht nicht nur ums Aussehen.

Als Gitarristen neigen wir dazu, die guten alten Zeiten der Gitarren zu verklären. Manchmal bezeichnen wir die 1950er und 1960er Jahre als das goldene Zeitalter des Gitarrenbaus. Und obwohl die Produktionsqualität sehr unterschiedlich war und einige Instrumente die Zeit nicht überdauert haben, träumt jeder Gitarrist von einer echten Stratocaster von 1957 oder einer Gibson Les Paul von 1954. Die Preise solcher Gitarren steigen mit der Zeit rasant (sie sind echte Sammlerstücke und eine gute Investition, wenn man es sich leisten kann).

Fender Stratocaster Custom Shop Black Lighting

Die Idee, Gitarren künstlich zu altern, ging weit über das Aussehen hinaus. Heutzutage erwarten wir von einer gealterten Gitarre nicht nur, dass sie aussieht, sondern vor allem, dass sie sich wie ein Vintage-Instrument anfühlt, das schon lange eingespielt ist. Eine perfekt gealterte Gitarre wäre von einem Original aus den 50er- oder 60er-Jahren nicht zu unterscheiden, und Gitarristen suchen nach wie vor nach diesem heiligen Gral unter den aktuell produzierten Gitarren. Spricht man von authentischem Vintage-Feeling, fallen viele Namen: Danocaster , Linhof, Nacho Guitars, K-Line und andere. Diese Gitarren haben einen dünnen Nitrolack, Gebrauchsspuren wie Dellen und Kratzer sowie Stellen, an denen der Lack durch den ständigen Kontakt mit den Händen abgenutzt ist. Aber am wichtigsten ist – sie haben diesen besonderen, warmen Mitteltonbereich, den wir an echten Vintage-Gitarren so lieben.

Die Stufen des Alterns

Im Laufe der Zeit trieben die Hersteller die Kunst des künstlichen Alterns auf die Spitze. Einige, wie die Gibson Murphy Lab-Serie, streben nach einer geschmackvollen, dezenten Alterung, die ein 60- bis 70-jähriges, aber dennoch gut gepflegtes Instrument imitieren soll. Andererseits gibt es auch sehr extreme Alterungen, bei denen große Holzstücke durch den Lack hindurchscheinen. Manche dieser extremen Alterungen sind sogar unrealistisch – es ist schlicht unmöglich, eine Gitarre beim Spielen so aussehen zu lassen.

Alterungsstufen von Fender (von sweetwater.com)

Analysieren wir verschiedene Stufen der Relic-Behandlung anhand der Fender-Namen als Referenz:

  • NOS (New Old Stock) – makellos, wie neu. Ein Beispiel dafür ist die James Tyler Studio Elite 35th Anniversary von 1987.
  • Ein echter Klassiker – eine Gitarre, die seit 50 Jahren produziert und im Koffer aufbewahrt wird. Mit der Zeit hat der Lack leichte Risse bekommen und die Hardware kann etwas matt geworden sein, aber nichts Gravierendes. Ein Beispiel dafür wäre diese Fender Custom Shop Telecaster .
  • Journeyman Relic – die Gitarre wurde sorgsam gepflegt und war jahrelang mit dem Musiker unterwegs. Sie weist leichte Gebrauchsspuren auf – kleinere Dellen und Kratzer, der Halsrücken ist etwas abgenutzt. Insgesamt wurde die Gitarre zwar gespielt, aber nicht misshandelt. Ein Beispiel dafür wäre diese Postmodern Fender Custom Shop Stratocaster.
  • Relic – die Gitarre wurde stärker beansprucht. Sie wurde viel häufiger auf Tour gespielt und eingesetzt als die Journeyman und dabei auch nicht so sorgsam behandelt. Wie ein geliebtes Werkzeug – sie wurde mit der Zeit immer abgenutzter. Ein schönes Beispiel dafür wäre diese Haar Trad S.
  • Heavy Relic – die Gitarre wurde wirklich misshandelt. Entweder hast du sie zwölf Stunden am Tag gespielt und nach dem Gig überall in der Bar liegen lassen, oder du hast sie Steve Ray Vaughan für ein Jahr gegeben. Für die meisten wohl eher unrealistisch, sieht aber trotzdem verdammt cool aus. Hier ist ein Beispiel einer Fender Custom Shop 52 Telecaster in der Heavy Relic-Version.
  • Extrem stark gealtert – ein ziemlich unrealistisches, völlig ramponiertes Instrument. Es polarisiert stark – man liebt es oder man hasst es. Die Hälfte des Korpus ist vom Lack befreit, die Holzoberfläche stark beschädigt – nichts für Zartbesaitete. Wir hatten zum Beispiel diese 1963er Fender Custom Shop Stratocaster NAMM Limited im Angebot.

Das war ein kurzer Überblick über Relic-Gitarren. Welches ist dein Lieblings-Relic-Projekt?

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