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PRS Silver Sky – nur eine Strat-Kopie?

Seit ihrer Einführung in die PRS-Produktpalette 2018 hat John Mayers Signature-Modell Silver Sky in der Gitarren-Community extreme Emotionen ausgelöst. Schon von Anfang an war deutlich zu erkennen, dass die Meinungen der Gitarristen stark gespalten waren: Die einen schätzten John Mayers und Paul Reed Smiths Interpretation dieses klassischen Gitarrenstils, die anderen bezeichneten sie als „Kopie“ und „Abzocke“.
Was die Motivation für die Entwicklung der PRS-Version der Stratocaster-Gitarre angeht, erwähnt John die Unmöglichkeit der Zusammenarbeit mit Fender bei der Entwicklung einer Gitarre mit bestimmten Spezifikationen, die ihm spielerisch gefallen hätte. Auf der PRS-Website ist Folgendes zu lesen:

„Es war jahrelang mein Traum, eine Gitarre zu entwerfen, die einige meiner liebsten Vintage-Spezifikationen mit einem modernen Geist und einer zeitgemäßen Ästhetik vereint. Nach zwei Jahren des Studiums und der Weiterentwicklung ist die Silver Sky meine Vision davon, wie eine Neuauflage der E-Gitarre aussehen und sich anfühlen sollte.“ – John Mayer

PRS Silver Sky Bundierung

Die Silver Sky hat also starke Stratocaster-Wurzeln: Sie teilt die gleiche Mensur, drei Single-Coil-Tonabnehmer, ein 6-Punkt-Tremolo, die gleiche Position der Klinkenbuchse und eine sehr ähnliche Korpusform. Mit ihrem 7,25"-Radius spricht sie auch Vintage-Fans an, obwohl viele moderne Gitarristen diesen Radius als nicht optimal empfinden (heutzutage sind 9,5" oder sogar Compound-Radius Standard, selbst bei Fender-Griffbrettern). Bei genauerem Hinsehen unterscheiden sie sich jedoch in einigen Punkten von Fenders klassischer Stratocaster.

Der Kopf

Man könnte sagen, dass die Gitarren-Community an diesem Punkt die extremsten Meinungen vertritt. PRS musste seine charakteristische Kopfplattenform nicht nur aus rechtlichen Gründen (oder wegen möglicher Klagen) beibehalten. Paul Reed Smiths ikonisches Kopfplattendesign hat mehr zu bieten als nur ästhetische Vorteile: Die symmetrischere Form in Kombination mit der 3+3-Mechanikenanordnung sorgt dafür, dass die Saiten perfekt parallel zueinander verlaufen und reduziert den Winkel, in dem sie sich nach dem Sattel biegen. Dies ist einer der Gründe, warum PRS-Gitarren so stimmstabil sind. Die Kopfplatte der Silver Sky ist zudem ein Spiegelbild der klassischen PRS-Form, wodurch sie das einzige Modell mit diesem Design ist.
Zu guter Letzt sind Top-Locking-Mechaniken eine großartige Ergänzung zur Stimmstabilität der Gitarre, auch wenn sie bei klassischen Stratocasters, wo Vintage-Mechaniken bevorzugt werden, noch nicht Standard sind.

Die Elektronik

PRS Silver Sky Gehäuse-Nahaufnahme

Man hört immer wieder, dass keine Gitarre wie eine Fender Stratocaster klingt. Und wir finden, das stimmt – egal, welche Magie Fender in ihre Gitarren einbaut oder welches Holz sie verwenden, nichts klingt wirklich „genau so“.
Wenn man eine PRS Silver Sky in die Hand nimmt und anschließt, merkt man schnell, dass die Entwickler nicht wollten, dass sie „genau so“ klingt. Die erste Serie von 2018 hatte Single-Coils mit geringerer Ausgangsleistung und einem Fokus auf die Mitten, die dem Sound von John Mayers „Slow Dancing in a Burning Room“ ähnelten, aber dennoch den typischen PRS-Charakter hatten. Im Laufe der Jahre 2019/2020 wurde das Modell umfassend überarbeitet (Nitro-Lackierung, schmalere Bünde, leicht veränderte Halsform), wodurch die Ausgangsleistung der Tonabnehmer etwas erhöht wurde. Das Ergebnis ist ein äußerst artikulierter und dynamischer Klang mit vielen Obertönen im oberen Mittenbereich. Sie klingt deutlich anders als ihr Vorgängermodell und besitzt die für PRS typische Luftigkeit und Boutique-Qualität.

Die Handwerkskunst

Es beginnt mit dem Holz, und viele behaupten, bei einer Stratocaster-Gitarre gelte: je leichter, desto besser. Ob das nun stimmt oder nicht – die Gitarre ist leicht, und der Hals hat eine gerade Maserung ohne Astlöcher. Das Griffbrett hat einen intensiven, tiefen Braunton und ist dick (vergleichbar mit einem Fender Slabboard). Die gesamte Konstruktion schwingt vom Kopf bis zum Korpusende, wie es sich für eine großartige Gitarre gehört.
Die PRS Core-Modelle sind wunderschön. Manchmal hat man das Gefühl, sie gehören eher in eine Kunstgalerie oder eine gut beleuchtete Ladenauslage als auf die Bühne, aber beim Spielen fühlen sie sich sofort wie zu Hause. Silver Sky ist farblich etwas zurückhaltender (es gibt jedoch limitierte Auflagen wie Lunar Ice mit herausragendem Finish), bisher sind keine Holzdecken erhältlich. Damit bleibt Silver Sky dem Vintage-Charakter mit schlichten Farboptionen treu. Auch auf Relic-Finish wird verzichtet, wie bei allen anderen PRS-Modellen – Hochglanz-Polyurethan (vor 2019) oder Nitrolack. Alles an dieser Gitarre glänzt und ist makellos. Die Bundierung ist genauso perfekt wie die Lackierung, die Bünde sind sauber eingesetzt, die Kanten abgerundet und spiegelnd. Die Hardware wirkt hochwertig, die Kunststoffteile fühlen sich angenehm an.

Sprechen wir also von Custom-Shop-Qualität?

Der Fender Custom Shop steht für hochwertige Handwerkskunst, sorgfältig ausgewählte Hölzer, handgewickelte Tonabnehmer usw. Auch die abschließenden Qualitätskontrollen tragen maßgeblich zum hohen Wert der aktuellen CS-Gitarren bei. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Gitarristen verschiedene Stratocaster-Varianten mit der „Custom Shop-Qualität“ vergleichen.

Eine kurze Anmerkung vorab: Es gibt keine einheitliche „Fender Custom Shop Qualität“. Custom Shop Modelle unterscheiden sich von Standardmodellen durch ihre individuellen Anpassungen. Wenn Sie eine neue Custom Shop Fender bestellen, können Sie einige oder alle Features selbst auswählen (oder eine limitierte Auflage erwerben, die exklusiv für Ihren Lieblingsgitarrenladen gefertigt wurde, wie beispielsweise bei Wildwood Guitars). Das macht einen echten Mehrwert für Sie als Käufer aus. Manche wählen edle Holzdecken, besonders leichte Hölzer, spezielle Halsprofile usw. Dafür bezahlen Sie. Wenn Ihnen der Stil eines bestimmten Gitarrenbauers besonders gefällt, können Sie eine Gitarre bestellen, die komplett von ihm gefertigt wird – von Anfang bis Ende (manche, wie Paul Waller, beherrschen die Kunst der Vintage-Finishes perfekt). Das hat seinen Preis. Custom Shop bedeutet eine sorgfältigere Materialauswahl, individuelle Anpassungen und weitere exklusive Extras.
Generell sind die aktuell produzierten Custom Shop Stratocaster Gitarren von höchster Qualität mit erstklassigen Hölzern, Tonabnehmern, faszinierenden Relic-Effekten, tollem Spielgefühl und Klang. Die meisten von ihnen orientieren sich am Vintage-Stil. Erfüllt die PRS Silver Sky diese Qualitätsstandards?

Meiner Meinung nach ja. Die Kombination aus Vintage-Features und -Sounds mit makelloser Verarbeitung und modernen Akzenten macht sie durchaus konkurrenzfähig mit den Fender Custom Shop Gitarren. Das heißt aber nicht, dass sie besser ist. Jede Gitarre und jeder Spieler ist anders, und die Qualität einer Gitarre bestimmt nicht zwangsläufig, wie man sie empfindet. Für alle, die moderne Neuinterpretationen klassischer Modelle von Boutique-Marken mögen, ist die PRS Silver Sky mit Sicherheit eine interessante Wahl.

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